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Eigenbedarfs-Kündigung einer Wohnung: Was Eigentümer rechtlich beachten müssen

Lesezeit: 5 min
12.02.2024 14:17  Aktualisiert: 12.02.2024 14:17
Sie haben eine Eigentumswohnung erworben und wollen diese nun selbst bewohnen oder Angehörigen zur Verfügung stellen. Das ist ihr gutes Recht. Allerdings gibt es Schutzrechte des Mieters, die der unmittelbaren Wirksamkeit einer sogenannten Eigenbedarfs-Kündigung entgegenstehen. Gerade sorgt ein neues Urteil des Landgerichtes in Berlin für möglicherweise neue Einschränkungen bei Eigenbedarfs-Klagen. Hier deshalb ein kleiner Überblick zu den Regeln?
Eigenbedarfs-Kündigung einer Wohnung: Was Eigentümer rechtlich beachten müssen
Recht auf Eigenbedarf: Sie suchen eine Wohnung und haben eine vermietete Wohnung gekauft. Wenn Sie oder Angehörige einziehen wollen, greift unter Umständen das Recht auf Eigenbedarf. (Foto: dpa)
Foto: Soeren Stache

Henri Peters ist gerade aus Basel nach Bremen zurückgekehrt und möchte seine alte Wohnung endlich wieder nutzen. Vor zwölf Jahren hatte er sie leerstehend erworben, aber nur kurz selbst genutzt und dann regulär an ein junges Paar vermietet. Nun benötigt er die Räume wieder selbst. Die klassische Konstellation für eine Eigenbedarfskündigung. Doch jeder Fall liegt bekanntlich anders. Worauf kommt es an?

Grundsätzlich genießen Mieter weitgehende Schutzrechte - Eigenbedarf ist eine Ausnahme

Anders als zum Beispiel in den USA genießen Mieter in Deutschland einen breiten Schutz als Nutzer von Wohnungen. Einfach so jemanden kündigen, gilt als schwierig. Erst wenn die Miete nicht pünktlich bezahlt wird oder sonstige schwerwiegende Gründe für Abmahnungen bestehen, kann ein Eigentümer bzw. der Vermieter den Mietvertrag aufkündigen und gegebenenfalls auf Räumung der Wohnräume klagen.

Doch auch für den (vom Gesetzgeber klar definierten) Fall der Eigenbedarfskündigung gibt es Einschränkungen. Mieter können sich zum Beispiel auf die sogenannte Härtefall- oder Sozialklausel berufen. Die Kündigung so zu verhindern, gilt unter Juristen zwar als schwierig. Doch ein neues Urteil des Landgerichts II in Berlin hat neue Verunsicherung in die Diskussion gebracht. Der Mieterschutz wurde erweitert. Die Lage am Wohnungsmarkt könnte weiter reichenden Schutz erforderlich machen.

Neues Urteil aus Berlin sorgt für Verunsicherung unter Eigentümern

Die Rechtslage besagt bisher, dass Mieter nicht sofort ausziehen müssen, wenn etwa das Alter des Mieters oder dessen lange Mietdauer, die schwere Krankheit oder Behinderung des Mieters, eine Schwangerschaft der Mieterin, eine tiefe langjährige Verwurzelung eines älteren Mieters oder bei Studenten eine bevorstehende wichtige Prüfung dem Anliegen des Eigentümers entgegenstehen.

Das neue Urteil aus der Hauptstadt geht darüber nun hinaus. Demnach darf der Vermieter zwar kündigen, ausziehen muss der Mieter aber unter Umständen trotzdem nicht. Die Härtefall-Klausel (§ 574 BGB) kann Mieter unter Umständen vor dem Rauswurf aus der angestammten Wohnung beschützen.

Laut Urteil des Landgerichts vom 29. Januar 2024 (Az.: 117 C 257/21) zählt jetzt folgender Punkt dazu: Wird keine angemessene Ersatzwohnung zu zumutbaren Bedingungen gefunden, muss der Vermieter seinen Mieter vorerst in der Wohnung dulden. Zumindest für einen gewissen Zeitraum. Im vorliegenden Fall, in dem ein Mieter sich gegen die Kündigung seines Vermieters gewehrt hat, immerhin zwei Jahre. Der Zeitraum ist jedoch individuell und kann daher bei anderen Gerichten länger oder auch kürzer ausfallen. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Dauer von zwei Jahren soll dem Mieter ermöglichen, eine geeignete Wohnung zu finden. Ist die Frist abgelaufen, muss er ausziehen. Auch wenn er keinen adäquaten Ersatz findet.

Lage am Wohnungsmarkt in Berlin mau, Mieter waren chancenlos

Die Richter haben dabei berücksichtigt, dass das gesamte Stadtgebiet Berlins als angespannter Wohnungsmarkt ausgewiesen ist. Die Mieter konnten nachweisen, dass sie sich zwei Jahre lang ohne Erfolg auf zahlreiche Wohnungen beworben haben und es trotzdem nicht möglich war, sich angemessenen und zumutbaren Ersatzwohnraum zu beschaffen. Zudem floss in die Entscheidung auch der Umstand ein, dass die Vermieterin keine besonders dringlichen Gründe für den Eigenbedarf angeben konnte.
Das Landgericht Berlin hat daraufhin die bisherigen Bedingungen des Mietvertrags von Amts wegen geändert. Es wurde eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses von zwei Jahren angeordnet. Gleichzeitig hat das Gericht sogar die Nettokaltmiete der Wohnung auf ein marktübliches Niveau angehoben, um einen finanziellen Nachteil der Vermieterin abzuwenden. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig und liegt auch noch nicht schriftlich vor. Es könnte aber die Diskussion um Mieterrechte in großen Städten befeuern.

Stellt sich die Frage, was Eigentümer bedenken sollten: Wie stehen die Chancen bei Eigenbedarfs-Kündigungen überhaupt? Wie urteilen Gerichte üblicherweise? Und worauf sollten Vermieter achten, damit aus einem Eigenbedarf möglichst kein Rechtsstreit wird?

Die Perspektiven von Mietern und Vermietern sind verschieden: Während Eigentümer sich in ihren Rechten eingeschränkt fühlen, wenn sie ihre Immobilie nicht nutzen können, wie sie wollen. Sie befürchten aufgrund weit gefasster Schutzregeln für Mieter, dass eine Klage ein schwer einzuschätzendes finanzielles und rechtliches Risiko mit sich bringt.

Mieter pochen stur auf ihre angestammte Wohnung und das vertraute Wohnumfeld. Sie werden darin häufig von Mietervereinen unterstützt, sich gegen die Eigentümer zur Wehr zu setzten und es auf den Klageweg ankommen zu lassen - zumal es unter Umständen ein eher geringes Risiko wegen der möglichen Rechtsschutzversicherung gibt. Eine neue Wohnung finden zu müssen, ist derzeit schwierig am Immobilienmarkt, weshalb ein Prozess sogar als das kleinere Übel erscheinen mag. Viele Mieter argwöhnen ohnehin, dass der Eigenbedarf als Kündigungsgrund nur vorgeschoben oder gar fingiert sein könnte und der Vermieter die Immobilie in Wirklichkeit nur teurer weitervermieten möchte.

Welche Umstände Richter akzeptieren - und wann Mieter bleiben dürfen

Auf die Kommunikation kommt es entschieden. Nutzen Sie alle Argumente und Möglichkeiten, bei Ihren Mietern für Verständnis zu werben. Eine Kündigung ohne jegliche Vorwarnung wirkt indessen meist als offene Kriegserklärung. Die Eigenbedarfs-Kündigung muss schlüssig begründet und nachgewiesen werden. Der Hinweis auf die juristische bestehende Widerspruchsfrist des Mieters ist Pflicht. Der Mieter hat zwei Monate Zeit, der Eigenbedarfskündigung zu widersprechen.

Beim Kündigungsschreiben muss der Vermieter beachten, dass er die Formalien einhält. Dazu gehört, dass die Personen, für die er Eigenbedarf anmeldet, in der Regel namentlich und auch mit Verwandtschaftsgrad aufgeführt sind.

Zu bedenken ist: Wohnmietverträge gelten in der Regel unbefristet. Ohne triftigen Grund dürfen Vermieter Mietverträge weder befristen noch einfach so plötzlich beenden. Ein zulässiger Kündigungsgrund kann eine Pflichtverletzung des Mieters - zwei ausstehende Monatsmiete zum Beispiel sind für Richter in Deutschland allemal ein nicht zu akzeptierender Kündigungsgrund. Wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst benötigt, muss der Bedarf nachvollziehbar sein. Das wäre so, wenn er beispielsweise in die bisher vermietete Wohnung einzieht, um näher an seinem Arbeitsplatz zu wohnen.

Sonderfall: Die Wohnung wird für eine Pflegekraft von Angehörigen benötigt

Sie benötigen die Wohnung vielleicht zur Unterbringung einer Ganztages-Pflegekraft für einen nahen Angehörigen? Das würde von den Gerichten durchaus akzeptiert. Ebenfalls als Eigenbedarfsgrund wird in der Regel akzeptiert, wenn die umstrittene Wohnung barrierefrei ist und deshalb von Angehörigen benötigt wird. Auch für Einliegerwohnungen – also etwa eine kleine Wohnung in einem selbst bewohnten Einfamilienhaus – gelten Sonderregeln. Eine solche dürften Vermieter auch ohne berechtigtes Interesse kündigen, allerdings mit einer drei Monate längeren Kündigungsfrist als sonst.

Besitzt der Eigentümer mehrere Wohnungen, muss er begründen, warum er zwingend diese Wohnung benötigt. Bei einer Eigenbedarfskündigung sollten Bedarf und Wohnungsgröße zudem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Als unverhältnismäßig würde wohl gelten, einer Großfamilie eine große Vier-Zimmer-Wohnung zu kündigen, nur um dort dem eigenen Kind eine Wohnung während des Studiums zur Verfügung zu stellen.

Älterer Mietvertrag, verlängerte Fristen - bis zu neun Monate, dann darf geklagt werden

Der Vermieter muss eine Eigenbedarfskündigung mindestens drei Monate vorher beim Mieter schriftlich ankündigen. Je nachdem, wie lange der Mietvertrag zwi8schen den Parteien bereits gültig ist, verlängert sich auch die Kündigungsfrist: sechs Monate (bei fünf bis acht Jahren Mietdauer) und bis zu neun Monate bei über acht Jahren. Vermieter könnten danach tatsächlich Räumungsklage beim Zivilgericht einreichen. Solange der Streitfall allerdings juristisch nicht geklärt ist, darf der Mieter auch in seiner Wohnung bleiben.

Wird ein Mehrfamilienhaus in Eigentumswohnungen aufgeteilt, gibt es Sperrfristen für eine Eigenbedarfskündigung. Diese Fristen sind je nach Bundesland und Kommune unterschiedlich. Sie können wie in Berlin bis zu zehn Jahre betragen. Es empfiehlt sich deshalb beim Kauf eines neu aufgeteilten Wohnhauses eventuelle Sperrfristen vorab in Erfahrung zu bringen. Vielleich gibt es aber auch eine freie andere Umsetzwohnung im Haus? Sind zur Streitvermeidung verlängerte Übergangsfristen als Kompromiss denkbar, so dass die Mieter mehr Zeit haben, eine neue Bleibe zu finden? Das ließe sich schriftlich mit einem gegenseitigen Einverständnis vereinbaren.

Juristische Sonderfälle schließen die Eigenbedarfskündigung grundsätzlich aus. Womöglich, weil Mieter ein lebenslanges Wohnrecht haben - oder gar ein Nießbrauchrecht. Die Kündigung wäre dann unzulässig. Im Mietvertrag vereinbarte erleichterte Regelungen für den Eigenbedarf (als vom Gesetz her vorgesehen) könnten unwirksam sein und vom Gericht kassiert werden.

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Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.


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